Königliche Aussichten
In voller Länge misst der Thronfolgeweg 45 Kilometer. Wir nehmen uns die Königsetappe vor: von Mammern auf die Hochwacht und über Klingenzell hinunter bis zum Rhein.
Charles III. kann ein Lied davon singen: Thronfolge ist mitunter ein langwieriges Geschäft. Ganze 73 Lebensjahre verbrachte er im Wartestand auf den englischen Thron. Da sind die gut zehn Stunden, die das Abwandern des gesamten Thronfolgewegs von Gottlieben nach Diessenhofen dauert, ein Klacks dagegen. Und wer diese 45 Kilometer am Stück durchmarschiert, hat am Schluss ganze zwölf Throne bestiegen und nicht nur einen!
Allerdings sind zehn Stunden Wanderzeit als Tagesration doch etwas viel. Wir picken deshalb einen Streckenabschnitt heraus und freuen uns darauf, den Rest ein andermal in Angriff zu nehmen. Zur Anreise nach Mammern haben wir die Wahl zwischen Schiff und Bahn. Die Kursschiffe von Untersee und Rhein steuern ab Schaffhausen und ab Kreuzlingen die Station Mammern an, je nach Saison drei- bis viermal täglich. Und auf dem Landweg ist Mammern über die Thurbolinie S1 mit dem Schienennetz im Halbstundentakt verbunden.
Zwölf Throne bis Diessenhofen
Der Thurgauer Thronfolgeweg startet in Gottlieben auf einem der schönsten Dorfplätze der Schweiz. Und weil ganz nah das Literaturhaus Thurgau steht, ist der erste Thron des Themenwegs eine Leselounge – Lesefutter natürlich inbegriffen. Von Gottlieben aus führt die Wanderung über Triboltingen, Ermatingen, Salenstein, Berlingen und Steckborn nach Mammern, von dort über die Hochwacht nach Eschenz, Stein am Rhein und Wagenhausen und schliesslich nach Diessenhofen.
Unterwegs stehen an aussichtsreichen Plätzen insgesamt zwölf feudale Rastbänke – Throne eben! Der Themenweg verweist zum einen auf die geschichtsträchtige Landschaft der Bodenseeregion, in der Kaiser, Päpste, Fürste und Äbte sichtbare Spuren hinterlassen haben. Zum andern führt er den ganzen Untersee entlang bis zum Rhein und erlaubt zahlreiche wahrhaft königliche Ausblicke. thronfolgeweg.ch
Untersee und Churfirsten
Die Gemeinde Mammern als Ausgangspunkt für die Wanderung auf dem Thronfolgeweg zu nehmen, hat eine gewisse Pikanterie. Denn wir haben es hier mit einem erzdemokratischen Völklein zu tun, das sich, obwohl damals gerade 560 Einwohnerinnen und Einwohner gross, 1992 das Recht auf Selbstverwaltung erstritt und mit dem Segen des Kantonsparlaments aus der Gemeinde Steckborn austrat. Jetzt aber schweigen wir für einen Moment: Wir brauchen den Schnauf für den in steter Steigung vom Bahnhof zur Hochwacht hoch führenden Wanderweg.
Doch der Lohn – ist ein Thron! Auf der Hochwacht nämlich lädt die von Hollywood inspirierte Schaukelbank zu einer bewegten ersten Pause ein. Und beim gemütlichen Schaukeln lässt sich eine der besten Aussichten im ganzen Kanton geniessen. Richtung Norden schweift der Blick über die Höri und den ganzen Untersee, im Süden blitzen der Alpstein und die Churfirsten. Im Rücken der Schaukelbank ein Betonbunker, erbaut in den Dreissigerjahren des 20. Jahrhunderts. Gut, duckt er sich halbweg diskret ins Gelände. Und gut, hat der Rücken keine Augen.
Labsal für Leib und Seele
Ab Hochwacht geht es in mässigem Gefälle hinunter nach Klingenzell, wo sich allerlei Bedürfnisse erfüllen lassen: jenes nach Tröstung und Seelenheil im Wallfahrtskirchlein «Sieben Schmerzen Mariä», jenes nach Speis und Trank im gleich danebenstehenden Restaurant Klingenzellerhof. Von Klingenzell aus sollte man nicht dem gelben Wanderwegweiser nach Eschenz, sondern ein Stück der Strasse abwärts folgen.
Sie führt am Schloss Freudenfels vorbei, einem schmuck restaurierten Bau aus dem 12. oder 13. Jahrhundert. Die Anlage mit Hotel und Restaurant ist aber nur über Auffahrt und während vier Wochen im Sommer fürs Publikum offen, in der übrigen Zeit dient sie als Event- und Seminarstätte. Eigentümer ist das Fürstentum Liechtenstein. Immerhin. Zwar keine Königswürde, aber blaues Blut. Weiter der Strasse abwärts folgend, kommen wir schon bald zu einem scharfen Rank, in dem auf einer kleinen Erhöhung eine halbrunde Ruhebank steht: der erste 180-Grad-Thron der Geschichte, wie es in der Dokumentation zum Thronfolgeweg halb ernst, halb schalkhaft heisst. Originell – und grossfamilienfreundlich!
Vertraut mit Königswünschen
Seit 2019 sorgen im Klingenzellerhof Nadine Splettstösser als gelernte Hotelfachfrau und ihr Lebenspartner Mike Simon als Koch fürs leibliche Wohl der Gäste. Ihre Karte ist gutbürgerlich, die Preise sind moderat, und warme Küche wird durchgehend von 12 bis 20 Uhr serviert. Das Angebot reicht vom ‹Eingeklemmten› für hungrige Wandersleute über chüschtige Salate bis zum Angus Rindsfilet für genussfreudige Ausflügler. Speziell familienfreundlich sind die Kindermenüs kalkuliert, und wenn die lieben Kleinen ihre Hörnli mit Tomatensauce verspiesen haben, finden sie auf dem Spielplatz und rund ums Haus genügend Auslauf.
Schon bevor Splettstösser und Simon in den Thurgau zogen, waren sie auch beruflich als Paar unterwegs – zuletzt in Klosters, wo sie unter anderen Prinz Charles (heute King Charles III.) bewirteten und das schwedische Königspaar Silvia und Carl Gustav. Logisch, dass sie sich jetzt am Thronfolgeweg niedergelassen haben! klingenzellerhof.ch
In einer kleinen Schlaufe führt der Weg nun hinunter ans Seeufer bei Eschenz, von wo aus schon bald die Brücke von Stein am Rhein sichtbar wird. Das schöne Städtchen lassen wir aber für einmal rechts liegen und ziehen weiter nach Wagenhausen, wo wir von einem steinernen Thron auf den munter fliessenden Rhein schauen. Danach folgen wir dem Flussufer bis zur Brücke nach Hemishofen, wo wir uns nach Süden wenden und bald den Bahnhof Etzwilen erreichen. Und wenn wir uns dann ins Polster der Bahn sinken lassen, um nach Mammern zurückzufahren, denken wir: kein Thron, aber sehr bequem!
Eine Karte und weitere Informationen finden Sie im PDF zum Herunterladen: Thronfolgeweg Untersee
Alle Wandertipps
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(Text: Martin Jakob)